Fakten zur GokyoStartseite

Gokyo-no-kaisetsuDie Gokyo heisst eigentlich Gokyō-no-kaisetsu, wörtlich übersetzbar mit "Erläuterung der fünf Erkenntnisstufen". Gokyō heißt "fünf Lehren" und ist eine seit alters her in buddhistischen Schulen verbreitete Einteilung entsprechender Schriften, z.B. der Sūtren genannten Leitfäden. Je tiefgreifender entsprechende Schriften waren, desto höher wurden sie eingestuft.

Ein ebenso "Gokyō" ausgesprochener, aber mit anderen Kanji geschriebener Begriff steht für die 5 Klassiker, die 5 kanonischen Bücher des Konfuzianismus. Das populärste davon ist sicher das I Ging (japanisch eki kyō), das "Buch der Wandlungen", ein vermutlich im 7. \ 6.Jh. entstandenes, über 64 Hexagramme strukturiertes chin. Wahrsage- und Weisheitsbuch. Es ist davon auszugehen, dass Jigorō Kanō diese Wortgleichheit bewusst wählte, als er die Gokyō entwarf.

Kyō ist dabei eine interessante Wortwahl: das Wort bedeutet auch Religion und mag ein Hinweis auf Kanō's buddhistisch-religiöse Einstellung sein. Das Wort Kyō hat nur soviel mit dem Wort Kyū zu tun: Kanō verwendete die Stufen der Gokyo zur Vergabe von Schülergraden (Kyū). So wird die Gokyo vorwärts gezählt, die Schülergrade aber rückwärts: ikkyo = gokyu usw.

Die Gokyo als Standard-Katalog der Judo-Würfe für Schülergraduierungen wurde 1895 festgelegt. Die ursprüngliche Fassung der Gokyo enthielt 5 Gruppen mit 42 Würfen (7,7,7,10,11). Die Revision zur heutigen Form der Gokyo erfolgte 1920. Neben den bis heute gleich gebliebenen Würfen gibt es folgende Unterschiede:

nur in der alten Gokyo nur in der neuen Gokyo
  • Obi-Otoshi
  • Seoi-otoshi
  • Daki-Wakare
  • Hikikomi-Gaeshi
  • Tawara-Gaeshi
  • O-Soto-Otoshi
  • Uchi-Maki-Komi
  • Yama-Arashi
  • O-uchi-gari
  • Ko-soto-gake
  • Hane-maki-komi
  • Sukui-nage
  • O-guruma
  • Sumi-otoshi

Etwa zur Zeit des 100-jährigen Jubiläum des Kodokan Judo Institute of Tokio, 1982, erfolgte eine Neuklassifizierung von Kodokan-techniken, bis dahin nicht erwähnte Techniken wurden als Shimmeisho-no-waza, "neuerdings registrierte Techniken" eingeführt. So wurde die erste, 1895 veröffentlichte Version der Gokyo wieder bekannt gemacht, die 8 in der neuen Gokyo von 1920 nicht mehr praktizierten Würfe der alten Gokyo wurden zu den Shimmeisho-no-waza gezählt. Manche Leute bezeichnen die 8 Würfe wegen ihrer Herkunft auch als "Rokkyo" bzw. "Roku-kyo", als 6.Stufe der Gokyo.

Nach Auskunft von Akiko Hosoda vom Kodokan Judo Institute ist kein Zusammenhang zwischen 100-jährigem Jubiläum und der Veröffentlichung der Shimmeisho-no-waza. Die Ereignisse fallen rein zufällig in den gleichen Zeitraum. Ebenso hat der Kodokan niemals eine Rokkyo als Bezeichnung eingeführt! Dies wäre nach den oben erläuterten religiös-philosophischen Bedeutungen auch undenkbar. Auf meine Anregung hin sind auch auf der Judo Information Site von Neil Ohlenkamp die entsprechenden Seiten korrigiert worden.

Der Holländer Anton Geesink, heute 10. Dan, schreibt in seinem Buch "Judo in Evolution" (1971): Die Reihenfolge der Würfe in der Gokyo wurde zu Unrecht als Reihenfolge der Instruktion der einzelnen Würfe übernommen, sie ist vollkommen willkürlich und hat einzig und allein historischen Wert. Die Reihenfolge entstand wie folgt: Kanos Wurf bekam die Nr.1, da er der Begründer war. Der Wurf seines nächsten Mitarbeiters bekam die Nr.2 usw. Diese Art der Einordnung führte dazu, daß .. einander verwandte .. Techniken, die nacheinander von Kano oder seinen Mitarbeitern entwickelt wurden, gleichsam wie Konfetti über die 5 Gruppen verstreut wurden.